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IV.
Waldhumoreske


Sieh'! der Menschheit ganzes Walten,
Alles Tuns und Lassens Spur,
Sprechend ist es auch erhalten
Tief im Leben der Natur.


* * * * *
Humoreske
 


Nachtwind
Ein Urgeist

In dämmervoller Sternennacht
Durchwall' ich still die Bäume,
Und bringe, bis der Tag erwacht,
Der Erde süße Träume.

Fledermaus
Eine Hexe

Was Sonnenschein und Morgenzeit!
Und Katzengoldgefunkel!
Die Nacht war vor der Ewigkeit, —
O wär' es ewig dunkel!

Uhu
Ein Nachtwächter

Die Waldnacht ist mein weites Reich,
Da wach' ich in den Bäumen;
Was drüber ist, das ist mir gleich —
Den Tag will ich verträumen.

Mondenschein
Ein Schwindsüchtiger

Und kann ich deine Liebe nicht,
Waldröslein, mir erwerben,
So will ich, eh' das Herz mir bricht,
In kühlen Fluten sterben!

Morgendämmerung
Ein flüchtiger Gedanke

O laß' mich, Wald, mit leisem Gruß,
An dir vorüberschleichen; —
Die Sonne folgt mir auf dem Fuß —
Ich müßt' vor ihr erbleichen!

Hahn
Ein Wachtposten in der Ferne

Wer da?! — Du bist vom jungen Tag
Der erste Sonnenfunken? —
Vorbei! — und dort dem Röslein sag':
Der Mondschein ist ertrunken.

Nebelstreif
Ein Erdgeist

Mein Erdenwallen ist vorbei, —
Ich darf mein Leben schließen;
O Wonne — aller Bande frei —
Im ew'gen Licht zerfließen!

Eichenwald
Ein altes Reich

Mir ist, als spürt' ich Morgenluft, —
Es flieh'n die Nachtgespenster,
Und lieblich quillt ein süßer Duft
Durch meine grünen Fenster.

Blumenseele
Eine Elfenkönigin

Jetzt schnell, ihr lieben Schwesterlein,
Noch einen lust'gen Reigen,
Bevor wir still beim Morgenschein
In Blumenkelche steigen!

Tauperle
Eine gute Fee

Ich sinke leis und stillbeglückt
Auf Knospe, Blatt und Blüte,
Und sterbe gern, wenn ich entzückt
Im Morgenstrahle glühte.

Sonnenstrahl
Ein junger Zauberer

Ich schwinge meinen goldnen Stab,
Daß alles auf der Erde,
Die lang gelegen wie im Grab,
Verklärt vom Lichte werde.

Lerche
Ein Herold

Wacht auf! wacht auf, ihr Wesen all'!
Ihr Vöglein, regt die Schwingen!
Und laßt uns froh, mit lautem Schall,
Das Glück der Freiheit singen!

Kreuzschnabel
Ein Pietist

Da hör' man nur dem Jungen zu,
Dem weltlichem Propheten!
Man kann nicht einmal mehr in Ruh'
Sein Vaterunser beten!

Stieglitz
Ein Philister

Was habt ihr denn? So schweigt doch still
Und laßt so früh am Morgen,
Wenn unsereins noch schlafen will,
Den lieben Herrgott sorgen!

Grasmücke
Ein Lyriker

Die Knospe, die süßträumend schlief,
Die wird aufjubelnd springen,
Wenn sich mit ihrer Seele tief
Vermählt mein leises Singen.

Echo
Ein Kritiker

Das klang wohl viel zu subjektiv, —
Doch war's ein zartes Singen, —
Und wenn das Vöglein drüber schlief',
Möcht's objektiver klingen.

Schnake
Ein Silbenstecher

Nicht allzu mild, Herr Kritikus —
Ihr habt da viel vergessen!
Mir scheint, es war wohl mancher Fuß
Ein wenig frei gemessen!

Zeisig
Ein Natursänger

Wenn du es recht im Herzen hast,
So mach' nicht viele Faxen,
Dann sing' es frei, so wie am Ast
Der Schnabel dir gewachsen.

Fichtenbaum
Ein hoher Herr

Ich glaube gar, ich höre dort
Das Volk von Freiheit singen? —
Beim Himmel! noch ein einzig Wort, —
Will ich die Rute schwingen!

Bienenschwarm
Eine auswandernde Proletarier-Familie

Wir blieben gern, und jedes gleich
Nach Kräften sich bemühte,
Wenn nur in diesem Schattenreich
Für uns auch etwas blühte!

Spinne
Ein Kommunist

Wenn dort im Eremiten-Haus
Zu viele Fliegen weilen,
So spann ich meine Netze aus —
Er muß sie mit mir teilen.

Elster
Ein Denunziant

Ein silbern Löfflein wurde just
Im Forsthaus dort gestohlen!
Es ist — ich hab' es längst gewußt —
Nichts sicher vor den Dohlen!

Waldmeister
Ein Eremit

Ja, ja! die Welt ist arg und schlecht,
In allen Fugen lose; —
Doch wär' mir wahrlich alles recht,
Erhörte mich die — Rose.

Röslein
Eine verwunschene Prinzessin

Ich unglückselig Königskind!
Wann endet meine Buße?
Wer löset meinen Zauber, lind
Mit einem keuschen Kusse?!

Moosblüte
Eine Wahrsagerin

Mein liebes Jungfer-Röselein,
Ich las im Glanz der Sterne:
Der Ritter, der euch wird befrei'n,
Der ist wohl nimmer ferne.

Waldschmetterling
Ein verliebter Gesell

Ich flatt're fröhlich hin und her,
Um Küsse mir zu stehlen,
Und wenn ich ein Philister wär',
So würd' ich mich vermählen.

Rittersporn
Ein verirrter Student

Wie kam ich nur an diesen Ort?
In dieses Waldgetriebe? —
Doch sieh'! das schmucke Röslein dort
Das glüht vor lauter Liebe!

Rehbock
Ein Hagestolz

Hast recht, du kleines Röselein,
O sei du nur recht spröde;
Laß dich beileib' zu tief nicht ein,
Und nennt man dich auch blöde!

Klatschrose
Eine alte Jungfer

Ihr Nachbarn! habt ihr's schon gehört?
— Doch unter uns gesprochen: —
Mein stolzes Bäslein ward betört
Und kommt nun in die Wochen!

Specht
Ein Minister

Fürwahr — erhabner Fichtenbaum, —
Ein sehr verdächtig Wesen!
Ich werde dort am Waldessaum
Das Standrecht gleich verlesen.

Laubfrosch
Ein Wetterprophet

Was seh' ich dort in West-West-Süd?!
O diese schwere Wolke!
Sie dehnt sich aus und flammt und glüht,
Es droht ein Sturm im Volke!

Waldbach
Ein Freigeist

Ich ströme aus des Lebens Born,
Und seh' ich rings dies Träumen,
Da möcht' ich oft in heil'gem Zorn
Wildbrausend überschäumen!

Spottvogel
Ein Pfiffikus

Und braust der Waldbach: brumm, brumm, brumm, —
Er wird kein Zweiglein spalten!
Und saust das Bienchen: Summ, summ, summ, —
Es bleibt ja doch beim Alten!

Natter
Ein Spion

O Majestät! o seid gewarnt!
Ich hört' es deutlich eben, —
Ihr seid von schlechtem Volk umgarnt,
Man strebt euch nach dem Leben!

Rabennest
Eine Camarissa

So laß' doch, Herr, in dieser Zeit
Ein Beispiel statuieren! —
Auch gibt's bei der Gelegenheit
Für uns zu konfiszieren!

Geißblatt
Ein Handbillet

Der Meister Bär — Hochwohlgebor'n —
Macht die verdächt'gen Leute,
Herrn Rehbock und Herrn Rittersporn,
Unschädlich — und noch heute!

Bär
Ein Scharfrichter

So komm' denn her, du liebes Tier
Ich brech' dir nur die Glieder!
Und den bespornten Jungen hier,
Den tret' ich einfach nieder.

Fuchs
Ein Schlaukopf

Das ist die wahre Politik, —
Man muß nicht unnütz raufen;
Dem Böcklein brech' ich das Genick,
Den Waldbach laß' ich laufen!

Sturm
Ein Radikaler

Wenn wir den alten Fichtenstamm
Nicht bald entwurzelt haben,
So werdet ihr noch allzusamm'
Ein Fressen für die Raben!

Epheu
Ein Turner

Ich klett're auf den höchsten Baum
Mit immergrünem Hoffen; —
Will seh'n, ob dort am Bergessaum
Nicht bald der Himmel offen.

Eichenblätter
Ein frischer Nachwuchs

Was macht sich jene Fichte dort
So breit in unserm Reiche?!
Der übermüt'ge Baum muß fort, —
Hier gilt das Wort der Eiche!

Blattlaus
Ein Zensor

Wenn ihr von diesem Ton nicht laßt,
Ihr frechen Galgenblätter,
So streiche ganz ich euch vom Ast,
Und euern Stamm trifft's Wetter!

Blitzstrahl
Ein Tyrannenmörder

Du falle, dürrer Fichtenstamm!
Dein Maß ist voll geworden!
Und stirb in heil'gen Zornes Flamm',
Und büße für dein Morden!

Dompfaff
Ein Prediger

O, dieses Hohen Schicksal hat
Sich fürchterlich gewendet!
Doch war sein Ende Gottes Tat, —
Den Blitz hat Gott gesendet!

Elektrischer Funke
Ein Universalgenie

Ich bin der Gott der Welt! Voll Lust
Jed' Wesen ich durchquille;
Im Menschen leb' ich selbstbewußt,
Und heiß' auch — ew'ger Wille!

Kuckuck
Ein Spekulant

Guck'! guck'! wie ist der Wald bewegt!
Ich hab's vorhergesehen,
Und hab' noch heut' ein Ei gelegt
Am Turm in's Nest der Krähen.

Eichhörnchen
Ein Kurier

Es wird geziemend aller Welt
In Eile kundgegeben,
Daß wir nun führen, wohlbestellt,
Ein neues, freies Leben!

Eintagsfliege
Ein Journalist

Nach West, wo Nachtgevögel schwirrt,
Bericht' ich von Rebellen!
Nach Ost, wo licht der Morgen flirrt
Von goldner Freiheit Quellen.

Amsel
Ein Tourist

Laßt seh'n, wie man in euerm Reich
Die Dinge sich gestalten; —
Ich will darüber morgen gleich
Das Ausland unterhalten!

Sperling
Ein Landjunker

Ei sieh'! der Wald, von dem man jetzt
So vieles weiß zu sprechen! —
Und dieses Röslein hier zuletzt —
Ich glaub', das sollt' ich brechen!

Belladonna
Eine verlassene Hofdame

Ein hübscher, feiner, schmucker Mann! —
Ist wohl aus fremden Triften! —
Doch schaut er mich nicht einmal an! —
Ich könnte ihn vergiften!

Abendlüftchen

Ein leichtes Bürschchen

Heut' will ich aber doch einmal
Im Wald das Röslein küssen! —
O weh'! wer hat's, zu meiner Qual,
Just heute brechen müssen?!

Leuchtkäferlein
Ein Laternenträger

Lieb' Abendlüftchen! — bin bereit,
Den Schmerz dir zu beleuchten!
Man glaubt's nicht in der Dunkelheit,
Daß Tränen dich befeuchten!

Birke
Eine Witwe

Ich seh'! der arme Junge weint! —
Welch' Herz! Wie unverdorben! —
Mein Mann verbrannte, und mir scheint,
Bald wird um mich geworben.

Eidechse
Ein Jesuit

Ich schleich' aus meinem dunkeln Haus
Mit Vorsicht, ohne Scheuen; —
Und reißt ihr mir die Glieder aus,
Sie wachsen mir vom Neuem.

Falke
Ein Freibeuter

Halt! Raubgesindel, hier und dort!
Ihr geht auf schlechten Wegen!
Und pfuscht ihr mir in's Handwerk fort,
Will ich euch 's Handwerk legen!

Ameise
Ein unterirdischer Republikaner

Mir scheint, das Glück da oben hier
Wird auch nicht lange währen! —
Es liegt in Pflanze, Luft und Tier,
Sich ewig aufzuzehren!

Iltis
Ein Zyniker

Nun ja! soll sich, nach ew'gem Brauch,
Die Erde stets verjüngen,
So müßt ihr wohl sie ewig auch
Mit eurem Miste düngen.

Waldschnecke
Eine Hiobspost

Die Erde kracht! die Luft erschallt! —
O mög' uns Gott bewahren! —
Der Sturmwind und der Eichenwald —
Die liegen sich in Haaren!

Buchfink
Ein Gelehrter

Was hat man nun von alledem,
Von Sturm und Donnerwettern! —
Es war' im Wald so angenehm,
Blieb's ruhig in den Blättern!

Adler
Ein überirdischer Hellseher

Wie kleinlich alles! kann beim Licht,
Wie ich, man es betrachten!
Und wär' der dumme Magen nicht,
Ich wollt' die Erd' verachten!

Nachtigall
Ein Weltschmerzler

Das wahre Glück erreicht kein Herz
In diesem Erdenleben, —
Doch ist's ein wonnevoller Schmerz:
Vergebens es erstreben.

Waldhornklang
Ein Wichtigtuer. Als Epilog

Und wer dies Lied gesungen hat?
Und wem es nachgepfiffen? —
Ein Knab', der oft den Wald betrat,
Hat's aus der Luft gegriffen.