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Klagen und weinen ist leicht, wenn das Herz zerdrücket ein Unglück,
Aber mit Demut und Maß Glück zu ertragen, ist schwer.
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Hunger leiden ist leicht im öden Winter der Armut,
Aber beim vollen Tisch nüchtern zu bleiben, ist schwer.
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Lieben und freien ist leicht in den Tagen des brennenden Herzens;
Liebe entbehren ist hart und das Entsagen so schwer!
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Hassen ist leicht, wenn bittrer Groll das Herz dir erfüllet;
Aber verzeihen ist schwer! — wirklich verzeiht nur ein Gott.
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Ehrlich bleiben ist leicht mit vollem Sack und am Galgen;
Aber in Nacht und Not Gut zu verschmähen, fällt schwer.
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Tugendhaft sein ist leicht, wo keine Versuchung dich locket;
Aber der Dürstende trinkt, netzet die Lippe der Kelch.
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Weltklug werden ist leicht bei den tausend Mitteln und Wegen;
Aber in Tausenderlei weise zu werden, ist schwer.
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Schwerer jedoch, als Jenes und Dies und künstlicher, wahrlich,
Ist's — ein Dummkopf sein; ach, und es gibt doch so viel!
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Selber sich kennen ist leicht: man hört sich und sieht sich ja immer,
Und man kennt sich gar wohl; aber gestehen ist schwer.
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Schimpfen und Verse machen ist leicht, drum tut es fast Jeder;
Schwer ist ein rhythmischer Reim, schwerer ein christlicher Schimpf.
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Sich zu vergehen ist leicht im düsteren Walde der Pflichten;
Ehrlich und zeitig zurecht wieder sich finden, ist schwer.
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Hächeln und tadeln ist leicht bei den tausend Mängeln der Menschen;
Aber das Loben ist schwer — drum wird es meistens bezahlt.
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Schweres zu finden ist leicht im leisen Gange des Lebens;
Aber das Leichte darin findet sich leider so schwer!
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Aller Anfang ist schwer, dann wird es leichter und leichter;
Aber in diesem Buch ging es entgegengesetzt.